Tinnitus

Tinnitus – Geräusche aus dem Nichts

Der Originaltext für: Tinnitus – Geräusche aus dem Nichts wurde mit freundlicher Genehmigung von der Homepage der Tinnitus – SHG Celle übernommen:
www.tinnitus-selbsthilfegruppe-celle.de/
, in einigen Details jedoch geändert/ergänzt.

 

Tinnitus hat sich zu einer Volkskrankheit entwickelt. Jeder zehnte Bundesbürger hat diese schrecklichen Geräusche schon einmal erlebt.
Oft beginnt es wie aus heiterem Himmel: klirrende, rauschende, pfeifende, zischende Geräusche im Ohr, die sich von einer Sekunde auf die nächste und meistens ohne Vorankündigung bemerkbar machen. In den meisten Fällen bleiben diese Störgeräusche einige Stunden oder Tage und verschwinden dann glücklicherweise wieder.

Was ist Tinnitus?

Ohrgeräusche werden in der medizinischen Fachsprache als Tinnitus bezeichnet. Charakteristisch ist, dass für diese Geräusche in der Regel keine äußere Schallquelle verantwortlich ist, und sie nur vom Betroffenen gehört werden. Tinnitus tritt in den unterschiedlichsten Formen auf. Er übertönt Gespräche, Musik, Vogelzwitschern, einfach alles, was das Leben so schön macht.

Textfeld: Unter „Tinnitus“ (lat. Tinnire = klingeln) versteht man jede Art von Ohr- und Kopfgeräuschen, die auf keine äußere Schallquelle zurückzuführen sind.

Wer nicht selbst unter Ohrgeräuschen leidet kann kaum verstehen, weshalb ein solches Leiden jemanden fast zur Verzweiflung bringen kann.
Tinnitus wird in den allermeisten Fällen früher oder später als erträgliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens empfunden (kompensierter Tinnitus). Trotzdem gibt es Betroffene, die von dem quälenden Ton im Ohr beherrscht werden (dekompensierter Tinnitus). Dann kann er für den Betroffenen zu einer sehr starken Lebensbeeinträchtigung werden.

Tinnitus kann allein oder mit Schwerhörigkeit auftreten. Fast die Hälfte der Betroffenen geben zusätzlich als Begleiterscheinung Hyperakusis (Geräuschüberempfindlichkeit) an. Bei Hyperakusis werden bestimmte Geräusche von geringer Lautstärke, wie z.B. menschliche Stimmen, als sehr laut und außerordentlich belastend empfunden.

Wie hört sich Tinnitus an?

Was ist das nun für ein Geräusch, das Sie hören?

Stellen Sie sich vor, vor Ihrer Haustür würde ein Intercity vorbeifahren, Sie hören ständig den Kühlschrank summen, einen Wasserkessel pfeifen oder einen Bohrhammer dröhnen. Selbst wenn Sie mit Ohrstöpseln die Ohren verschließen, verschwindet der Lärm nicht.

Die Geräuscharten können sehr vielfältig sein und die Lautstärke wird von Mensch zu Mensch zu verschiedenen Zeiten sehr individuell und unterschiedlich empfunden: vom leisen Rascheln von Blättern, vom Zirpen einer Grille bis zum Dröhnen von Düsenjets oder Pressluftbohrern. Manche hören die Geräusche nur auf einem Ohr, andere auf beiden Ohren oder auch im ganzen Kopf. Die Geräusche sind bei einigen nur ab und zu, oft aber auch ständig vorhanden.

Die Deutsche Tinnitus-Liga hat auf ihrer Homepage eine Seite, wo Ohrgeräusche zu hören sind.
Einmal existiert eine mp3- Datei und noch besser eine Info- Telefonnummer, wo mehrere Arten von Tinnitus zu hören sind. 

Welche Arten von Tinnitus gibt es?
Objektiver Tinnitus

In der Medizin wird der Tinnitus in zwei Gruppen eingeteilt. Beim objektiven Tinnitus liegt eine interne Schallquelle vor, die der Arzt z.B. mit dem Stethoskop hören kann. Diese Form von Tinnitus ist allerdings sehr selten.

Subjektiver Tinnitus

In den meisten Fällen handelt es sich um den subjektiven Tinnitus, der nur vom Betroffenen selbst wahrgenommen wird. Dies macht es ihm so schwer, seiner Umwelt zu erklären, worunter er eigentlich leidet. Vermutlich dürfte eine Funktionsstörung im Innenohr dafür verantwortlich sein. Er unterteilt sich in mehrere Phasen.

Kompensierter und dekompensierter Tinnitus

Je nach Schweregrad teilt man den Tinnitus folgendermaßen ein:

* Kompensierter Tinnitus: Der Patient hört zwar Geräusche, kann mit diesen aber umgehen, so dass kein oder nur ein geringer Leidensdruck entsteht.

* Dekompensierter Tinnitus: Dieser kann zu massiven Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche führen und einen großen Leidensdruck verursachen.

Ein dekompensierter Tinnitus führt unter Umständen zu:

* Schlafstörungen
* Konzentrationsschwäche
* Gereiztheit
* Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis),
* Lustlosigkeit, Depressionen
* Angstzuständen und sozialem Rückzug

Tinnitus ist keine Krankheit!

Tinnitus ist keine Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern ein Symptom – er kann aber krankmachen.
Der Tinnitus ist immer auch ein Warnsignal dafür, dass wir uns im körperlichen oder seelischen Bereich übernommen haben. Das Symptom ist aber nie die Ursache der Krankheit. Es ist daher sehr wichtig, sich über Ursachen für die Ohrgeräusche klar zu werden und diese möglichst abzubauen oder auszuschalten. Es reicht nicht aus, allein das Symptom Tinnitus zu behandeln. Eine gründliche Diagnostik vor der Behandlung ist unbedingt nötig.

Wie Ohrgeräusche entstehen können

Wie es genau zu diesen unerwünschten Ohrgeräuschen kommt, ist bis jetzt noch nicht geklärt. Es gibt bezüglich der Entstehung von Tinnitus viele unbeantwortete Fragen. Ärzte vermuten beim Tinnitus ein mangelhaft mit Sauerstoff versorgtes Innenohr als verursachende Störung. Werden die Haarzellen nicht mehr ausreichend durchblutet, sterben sie ab. Dauerlärm, ein Knalltrauma und unterschiedliche Formen von Stress können Ursachen für Tinnitus sein. Auch Allergien, Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, bestimmte Medikamente (z.B. Aspirin), ein Tumor am Hörnerv und andere Faktoren können Tinnitus auslösen oder verstärken. Außerdem können psychische Probleme Auslöser sein.Bei der Entstehung von Tinnitus sind immer verschiedene in Zusammenhang stehende Aspekte zu berücksichtigen, nämlich die:

* körperlichen,
* geistigen und
* seelischen Aspekte

Akuter Tinnitus

Was tun, wenn es plötzlich piept?

Wenn die Ohrgeräusche das erste Mal auftreten, gibt es keinen Grund zur Panik. Bewahren Sie Ruhe! Oft verschwinden die Töne im Ohr schon nach einiger Zeit von ganz allein. Falls die Geräusche am nächsten Tag noch da sind, sollten Sie sich beim HNO-Arzt oder auch bei Ihrem Hausarzt als „Eilfall“ anmelden. Haben Sie allerdings zusätzlich zum Ohrgeräusch ein taubes Ohr, dann sollten Sie sofort zum Arzt gehen, da der Verdacht auf einen Hörsturz besteht.

Hörsturz

Der Hörsturz ist ein medizinischer Notfall. Häufig sind beginnende Ohrgeräusche mit einem Hörsturz verbunden. Er ist gekennzeichnet durch einen plötzlichen – meist einseitigen, innenohrbedingten Hörverlust -, der mit Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen auftreten kann. Als Ursache werden urchblutungsstörungen oder Infekte angenommen.

Keine Zeit verlieren

Je früher Sie zum Arzt gehen, desto besser. Der Arzt wird erst einmal von einem Innenohrschaden ausgehen und eine Akutbehandlung einleiten. In der Regel beginnt die Behandlung mit durchblutungsfördernden Medikamenten und Infusionen.

Durch eine gute ärztliche Aufklärung verliert der Tinnitus seine Bedrohlichkeit. Viele Betroffene können dann nach einiger Zeit der Gewöhnung gut mit ihrem Tinnitus leben. Sie fühlen sich nur noch wenig gestört und sie können ihre Aufmerksamkeit wieder auf andere wichtige Dingen und Aktivitäten lenken. Die „Bedrohung“ durch den Tinnitus verliert immer mehr an Bedeutung.

Wenn Ihr Arzt die Diagnose „akuter Tinnitus“ stellt, dann sollten Sie Ihre Lebenssituation überdenken.
Hier ein paar Tipps für den Umgang mit Ihren Ohrgeräuschen:

# Eine gute Diagnostik durch Fachärzte sollte die weiteren Ursachen des Tinnitus klären. Die meisten Ursachen können gut behandelt oder gar behoben werden.
# Ruhe und positive Gedanken können den Selbstheilungsprozess fördern.
Der akute Tinnitus verschwindet bei rund 70% der Betroffenen.
# Abstand von beruflichen und familiären Belastungen gewinnen.
# Vermeiden Sie die Einnahme acetylsalicylsäurehaltiger Schmerzmedikamente (ASS, Aspirin, Thomapyrin, Togal).
# Reduzieren Sie Nikotin, Koffein, Alkohol und chininhaltige Getränke
(wie zum Beispiel Tonic Water, Bitter Lemon- z.T. auch weinhaltige Getränke und Spirituosen).
# Verzichten Sie auf glutamathaltige Speisen.
# Bauen sie Stress ab!
# Erlernen Sie ein Entspannungsverfahren, damit Sie wieder ruhiger werden.
# Meiden Sie Lärm und laute Musik.
# Meiden Sie Stille.

Chronischer Tinnitus?
Was tun, wenn der Tinnitus nicht verschwindet?

Ein Tinnitus wird als chronisch bezeichnet, wenn die Akutbehandlung erfolglos geblieben ist und die Ohrgeräusche über mehrere Wochen bis zu drei Monate andauern. Jetzt ist es eher unwahrscheinlich, dass Sie Ihr Geräusch verlieren und es stellt sich die Frage: „Wie soll es weitergehen? Muss ich jetzt damit leben?
Problematisch ist das nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für die Familie, Freunde usw. Wenn medizinisch keine Fortschritte mehr erzielt werden und sich Hoffnungslosigkeit breit macht, könnte eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll sein, um den Heilungsprozess zu unterstützen.
Eine Untersuchung der Klinik Roseneck ergab, dass über 80% der Betroffenen zu ihrer Gehörerkrankung eine Reihe psychischer Krankheitsbilder aufwiesen.

Mit dem Tinnitus leben

Nach der Diagnose „chronischer Tinnitus“ müssen Sie versuchen, sich mit dem Geräusch zu arrangieren. Nun ist es wichtig, das Leiden am Tinnitus zu behandeln, da der Tinnitus selbst nur noch sehr selten verschwindet. Suchen Sie sich einen „Arzt Ihres Vertrauens“.
Sie können selbst viel dazu beitragen, um Ihre Erkrankung in den Griff zu bekommen. Werden Sie aktiv und versuchen Sie die Aufmerksamkeit vom Tinnitus wegzulenken.

Folgende Aktivitäten können Ihnen dabei helfen:

# Hörübungen
Bewusstes Hinhören auf bestimmte Geräusche, z.B. Vogelzwitschern, schöne Musik.
# Wahrnehmungsübungen
Wahrnehmen mit allen Sinnen (Riechen, Tasten, Schmecken usw.).
# Schöne Dinge machen, wie z.B.
ein spannendes Buch lesen,
# Gartenarbeit,
# Sport treiben
sich in der frischen Luft bewegen.
# Erlernen Sie ein Entspannungsverfahren (z.B. Progressive (Muskelentspannung, Autogenes Training.

Hilfe zur Selbsthilfe

Schließen Sie sich einer Selbsthilfegruppe an und werden Sie selbst zum „Experten Ihrer Krankheit.“ Patienten, die gut über ihr Leiden informiert sind, können besser mit ihrem quälenden Geräusch zurecht kommen. Selbsthilfe heißt, die eigenen Probleme selbst in die Hand zu nehmen und aktiv, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten, nach einer Lösung zu suchen.

Gibt es eine Tinnitus – Persönlichkeit?

Eine „Tinnitus – Persönlichkeit“ konnte bisher empirisch nicht nachgewiesen werden. Vermutlich hängt die Empfindsamkeit auch von der jeweiligen psychischen Konstitution des Betroffenen ab. Fichter und Goebel (1996) fanden eine Häufung bestimmter Grundhaltungen bei den von ihnen psycho-therapeutisch behandelten Patienten:

# hohes Kontrollbedürfnis
# Perfektionismus in bestimmten Bereichen
# Hektik
# Ungeduld
# hohe Verantwortungsbereitschaft
# Starkes Bedürfnis nach Anerkennung
# Erfolg- und Leistungsdruck
# Konkurrenzdenken

Welche Therapie kann helfen?

Zu Beginn jeder Therapie sollte eine gründliche Diagnostik stehen. Beim akuten Tinnitus ist das wichtigste Behandlungsziel, dass der Tinnitus wieder verschwindet. Zuerst soll eine Aktivierung des Innenohrs erreicht werden, indem die Innenohrdurchblutung durch Infusionen und Medikamenten verbessert wird. In dieser Zeit sollten Sie vor belastenden beruflichen oder familiären Situationen geschützt werden. Dies kann durch einen Krankenhauaufenthalt oder durch Krankschreibung erreicht werden.

Beim chronischen Tinnitus müssen Sie lernen, sich an das Geräusch zu gewöhnen. Dazu gehört, nicht länger gegen ihn anzukämpfen. Wenn Sie lernen den Tinnitus zu akzeptieren, setzt ein Prozess der Gewöhnung ein. Der Tinnitus tritt dann in den Hintergrund Ihrer Wahrnehmung.

Eine viel versprechende Therapie ist die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT). Bei der Behandlung sind mehrere Fachgebiete vertreten. Der HNO-Arzt, ein Psychologe, ein Hörtherapeut und ein Hörgeräteakustiker.
Übersetzt bedeutet „Retraining“ umtrainieren. Es soll gelernt werden, das Ohrgeräusch nicht mehr wahrzunehmen. Während der Tinnitus vorher störend und bedeutsam für den Patienten war, soll er durch die Therapie unbedeutend und überhört werden.
Der erste Schritt der Therapie besteht in einer gründlichen Aufklärung der Patienten. Bereits in diesem Stadium können Ängste abgebaut und ein entspannteres Verhältnis zum Tinnitus geschaffen werden.
Die um uns herum ständig vorhandenen Schallquellen werden im Gehirn zu 70 % weggefiltert. Das Gehirn ist imstande, der akustischen Wahrnehmung nur die Informationen zuzuleiten, die wir wahrnehmen wollen. Beim Tinnitus ist dieses Filtersystem gestört und es drängt sich ein störendes akustisches Signal in unser Bewusstsein, welches nicht weggefiltert wird. Tinnitus wird dann zur Krankheit und wahrnehmbar, wenn diese hemmenden Systeme (Filter) geschädigt sind. Die Tinnitus-Retraining-Therapie versucht nun, die gestörte Filterfunktion unseres Hörsystems wieder herzustellen und unsere akustische Wahrnehmung von den Störgeräuschen abzukoppeln.

Dies wird durch ,,Habituation“ (Gewöhnungstraining) erreicht. Ziel ist es, das Störgeräusch auszublenden. Durch spezielle Übungen lernen die Kranken wieder auf etwas anderes zu hören als auf die Phantomgeräusche im Kopf.
Ein weiterer wichtiger Baustein dieser Therapie ist im Rahmen der Stressbewältigung das Erlernen einer Entspannungstechnik, wie zum Beispiel der Progressiven Muskelentspannung. Sie dient neben der Verbesserung der Entspannungsfähigkeit auch der Stärkung des vegetativen Nervensystems.

Darüber hinaus stehen bei Notwendigkeit verschiedene psychologische Maßnahmen im Mittelpunkt der Therapie.
Um die überstarke Wahrnehmung des Tinnitus zu verändern, wird ergänzend, je nach Erfordernis, ein Rauschgenerator („Rauscher“, „Noiser“) eingesetzt. Dieses kleine Gerät sensibilisiert das Gehör wieder für Geräusche von außen. Das Gerät wird hinter dem Ohr getragen und sendet für etwa sechs bis acht Stunden am Tag ein, „weißes“, Rauschen aus. Diese Therapie zielt darauf ab, dem Tinnitus seine übermäßige Bedeutung zu nehmen und es aus der bewussten Hörwahrnehmung herauszudrängen.
Das Konzept setzt eine aktive Mitarbeit des Patienten voraus. Ausdauer und Geduld spielen dabei also eine entscheidende Rolle. Bei den meisten Patienten ist ,,Heilung im Sinne von Leidensverringerung“ nach etwa 6 bis 24 Monaten möglich.